Corona hat nicht nur unser Leben, sondern auch unsere Kommunikation durcheinandergewirbelt wie schon lange kein Ereignis mehr. Darauf sollte man sich einstellen. Und die eigene Rhetorik an die neuen Gegebenheiten anpassen.
Viele Meetings, Präsentationen, Seminare und selbst Kundengespräche finden online statt. Meist via eines der zahlreichen Videokonferenzsysteme. Vielleicht bleibt uns dies sogar nach Corona erhalten? Noch ein Grund mehr sich mit der neuen Situation anzufreunden.

Physische Distanz statt social distancing

Vor allem zwei gravierende Veränderungen in unserem sprachlichen Miteinander gibt es: Den Mindestabstand und die Maske. Beides ist für das Infektionsgeschehen absolut notwendig und richtig, kommunikativ aber wirklich problematisch. Zum einen wäre da der Mindestabstand, das sogenannte „social distancing“, was als Begriff schon ein Fehlgriff ist. Denn es geht ja eben nicht darum sich sozial zu distanzieren. Soziale Nähe ist in diesen Zeiten vielleicht sogar wichtiger als je zuvor! Stattdessen ist die physische Distanz entscheidend. Aber dies hat wiederum Auswirkungen auf unsere soziale (und emotionale) Nähe zueinander.
Je nach Beziehung und Thema nehmen wir unterschiedliche räumliche Distanzen zu unseren Gesprächspartnern ein. Gerade das intime, vertrauliche Gespräch mit einer uns – wortwörtlich – nahestehenden Person bleibt aktuell auf der Strecke. Wir merken, wie wir schon fast intuitiv zurückzucken, wenn sich jemand uns zu sehr nähert. In Gruppen gemütlich zusammenstehen zum „Quatschen“, was neben dem Informationsaustausch immer auch soziale Identitäten in einer Gruppe prägt, ist aktuell nicht wirklich ratsam. Auch via Onlinemeeting ist keine wirkliche Nähe möglich. Die Technik als Filter schluckt viel von dem, was sonst „zwischen den Zeilen“ steht. Atmosphäre, Emotion. Nonverbale Kommunikation.

Der Händedruck und seine Bedeutung


Ebenso ist der nun durch einen Ellenbogencheck ersetzte Händedruck immens wichtig zur Kontaktaufnahme. Händeschütteln hat eine vermutlich Jahrtausende alte Tradition. Und setzte sich in den frisch gegründeten Vereinigten Staaten von Amerika schnell durch, da der Händedruck viel hierarchiefreier war als die in Europa damals übliche Verbeugung der Herren und der Knicks der Damen. Man zeigt sich beim Händeschütteln unbewaffnet und stellt physischen Kontakt her. Der taktile Reiz durch die direkte Berührung der Handflächen (man bedenke, dass es üblich ist auch im Winter die Handschuhe auszuziehen und sich die „nackte“ Hand zu reichen) stellt eine Verbindung her, die unbewusst verbindlicher ist als sie es ohne Berührung wäre. Da manche Menschen sogar bewusst nach dem Begrüßungsritual an der Hand riechen, erfolgt die Kontaktaufnahme sogar olfaktorisch. Wir stellen direkt fest, ob wir uns „riechen können“.
Für all das, was der Händedruck leistet, ist der aktuell favorisierte Ellenbogencheck ein eher dürftiger Ersatz. Es ist zu hoffen, dass wir nach Ende der Pandemie zügig wieder zu dieser alten Gewohnheit zurückkehren. Ebenso in jeweiligen Kontexten zu Umarmungen, denn auch diese Nähe fehlt unter Freunden und Familienmitgliedern.

Was hilft nun um die fehlende Nähe auszugleichen?


Es ist jetzt umso wichtiger den Kontakt über die trotz Pandemie verbliebenen Optionen aufzubauen, wie z.B. intensiven Blickkontakt herzustellen, durch das eigentlich ein bisschen aus der Mode gekommene Winken die offenen Handflächen zu zeigen und vor allem achtsam in Resonanz zu gehen, die sogenannten Spiegelneuronen möglichst ausgiebig zu befeuern. Nähe lässt sich zwar umständlicher, aber eben auch durch Sprache ausdrücken. Durch den liebevollen Klang der Stimme. Durch ungeteilte Aufmerksamkeit. Und durch engen Kontakt zu mindestens einer anderen Person. Nicht umsonst gibt es auch in Belgien im Lockdown den sehr sympatischen „Knuffelkontakt“.

Kommunikation in Zeiten von Corona – Teil 1

Warum hast Du eine Maske auf?


Einige dieser Optionen werden nun leider in manchen Situationen durch das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes stark eingeschränkt. es besteht kein Zweifel an der virologischen Sinnhaftigkeit der Maske. Aber kommunikativ ist die teilweise Unsichtbarkeit unseres Gesichts tatsächlich sehr schwierig.
Denn der übliche MNS verdeckt den Bereich des Gesichts, der für gut die Hälfte der über 40 Bewegungseinheiten verantwortlich ist, aus denen sich unsere Mimik zusammensetzt. Also ob wir freundlich dreinblicken oder traurig sind. Wütend oder gleichgültig. Das Ergebnis sind immer nur „halbe Mimiken“, die unzuverlässiger interpretierbar sind. Denn nach den Augen ist unsere Mundpartie das wichtigste „Organ“ unserer Körpersprache. Wie wichtig der Blick in die Augen ist, sieht man darin, dass wir Menschen, die eine getönte Sonnenbrille tragen, automatisch weniger vertrauen. Nicht umsonst tragen Gangster in Filmen oft solche Brillen. Es ist nicht so, dass es da Statistiken gäbe, dass Menschen, die solche Brillen tragen, öfter kriminell werden. Sondern uns als Betrachtern, in unserer Funktion als Gesprächspartner, fehlt der Blick in die Augen, der Vertrauen schafft. Wie eben schon erwähnt, folgt die Mundpartie in ihrer Bedeutung gleich danach. Der berühmte Paul Ekman hatte nachgewiesen, dass ein Lächeln ein Lächeln ist. Weltweit. In jeder Kultur. Selbst in denen, die sonst gar keinen Kontakt zu anderen Zivilisationen haben. Selbst Hunde können ein menschliches Lächeln erkennen! Und dieses Lächeln fehlt! Weil ein Lächeln klarmacht, dass das eben gesagte eine nett gemeinte Fopperei war. Und keine bösartige Beleidigung. Weil einfach nur ein Lächeln ohne Worte einen Konflikt vermeiden kann, bevor er überhaupt entsteht. Weil Flirten unfassbar schwierig ist ohne sich anlächeln zu können.

Und wie nun trotz Maske gut kommunizieren?

Auch dagegen hilft, neben einer transparenten Maske, die auch gehörlosen Menschen entgegenkommt, nur der Einsatz der verbliebenen nonverbalen Kommunikationsmethoden. Mimik lässt sich nicht ersetzen, kann aber ein Stück weit durch intensiveren Einsatz von Stimme und Gestik kompensiert werden. Achtsamkeit in der Kommunikation, sich bewusst zu machen, dass das Gegenüber die eigenen Aussagen schwerer einordnen kann und dass man selbst bewusster zuhören sollte, sind die wirkungsvollsten Optionen, die uns verbleiben. Auf dass wir diese Krise auch kommunikativ gut überstehen.

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