Aktuell machen sich mal wieder viele Menschen Sorgen um die deutsche Sprache. Dass diese immer mehr verkommt durch immer mehr Fremdwörter, Anglizismen und Neologismen. Ist diese Sorge berechtigt? Die Statistik sagt klar: Nein!
Wir verwenden in etwa gleich viele Fremdwörter wie noch vor 100 oder 150 Jahren. Nur andere. Auch damals gab es schon selbst ernannte Sprachschützer, die das Deutsche vor dieser „Invasion“ bewahren wollten. So heißt es in einem Artikel in der Allgemeinen Lauenburgischen Landeszeitung von 1870:
Es giebt wol kaum eine Sprache auf der Erde, welche in so hohem Grade wie die deutsche durch Einrangirung fremder Worte ihre volle Selbstständigkeit geschädigt hat. Wir bedienen uns der französischen, englischen, türkischen, griechischen, lateinischen Sprache in einer Unmasse von Fällen, und könnten uns ebenso gut und meistens auch ebenso kurz in unserer eigenen Sprache ausdrücken.
Letzteres bezweifelten offenbar viele Intellektuelle. Wenn man zum Beispiel Schopenhauer liest, findet man immer wieder ganze Sätze auf französisch. Das war zu seiner Zeit eben „en vogue“. Und im Mittelalter, also genau genommen bis zu Martin Luther, sprachen die gebildeten Menschen grundsätzlich Latein. Schon allein um sich vom gemeinen Pöbel abzuheben. Viele Wörter, die Du vermutlich für biodeutsch hältst, stammen ursprünglich aus dem Lateinischen. Auch manche, bei denen es gar nicht so auffällig ist. Der Idiot zum Beispiel. Bezeichnet im Lateinischen einfach einen „Laien“, also jemand, der oder die sich mit einer Sache nicht so wirklich auskennt. Oder Fenster zum Beispiel. Die Germanen hatten keine Gläser in den Löchern ihrer Hütten. Die Römer schon.
Neologismen und Anglizismen
Überhaupt spricht für viele aktuelle Wortschöpfungen, dass die Anglizismen besser klingen als das, was im Deutschen vermutlich dabei herauskommen würde, würde man versuchen dafür eigene, deutsche Begriffe zu kreieren. Also Begriffe wie „Lockdown“, „Shit Storm“ oder auch „Influencer“ möchte ich gar nicht eingedeutscht haben.
Oder stell Dir mal vor im Radio würde der Moderator, oh Entschuldigung, der „Ansager“ ankündigen, es käme nun „Landmusik von Johannes Bargeld“ oder gar einen Werbespot für den neuesten Klugfernsprecher der Marke Apfel, die ja einst gegründet wurde von diesem Steffen Arbeitsplätze…
Klingt total weit hergeholt? Ist es nicht. Na gut, geografisch schon: In Island machen sie das wirklich so. Es gibt dort tatsächlich eine Kommission, die sich neue Wörter ausdenkt, wenn das nötig wird. So heißt der Computer sinngemäß „Rechenhexe“ und das Tablett flache Rechenhexe. Und der Pandabär übrigens Bambusbjörn. Kein Scherz. So drollig das ist, bin ich dann doch mit Anglizismen besser bedient.
Das Problem mit Anglizismen
Allerdings wird die Hipness der englischen Sprache auch häufig genutzt, um bestimmte Dinge dadurch einfach nur besser klingen zu lassen. Gerade bei Berufsbezeichnungen greift das um sich und trägt teilweise sehr groteske Züge. Vom Hausmeister, der jetzt „Facility Manager“ ist, hast Du vermutlich schon mal gehört. Aber weißt Du, was ein „media distribution officer“ ist? Klingt nach mindestens mittlerem Management, mit Einzelbüro im fünften Stock und Vorzimmer mit persönlicher Assistenz, die einem einen Kaffee anbietet, weil die Videokonferenz mit China leider etwas länger dauert…
Tatsächlich ist ein Media Distribution Officer aber ein… Zeitungsausträger…
Was machen wir nun mit Anglizismen und Co? Was spricht für die Verwendung? Und was dagegen?
Pro: Globale Welt, globale Sprache
Wir leben in einer globalisierten Welt, die immer mehr zusammen wächst. Und da ist es doch eine gute Sache, wenn sich das auch in der Sprache äußert. Es ist ja nicht so, dass nur wir Deutschen uns Wörter aus anderen Sprachen „klauen“, sondern umgekehrt passiert das ja auch.
„Kindergarten“ ist eines der bekanntesten deutschen Wörter weltweit. So heißt das in den USA. In Haiti hab ich das in bunten Buchstaben an einer Wand stehen sehen. Im Albanischen sagt man zum Beispiel Eisberg für Eisberg, es wird nur anders geschrieben. Und das Französische hat sich etwas so Deutsches geangelt wie das „Berufsverbot“. Kurios ist dagegen das Wort „chic“.
Das stammt nämlich vom deutschen Geschick. Und schaffte es dann als Fremdwort aus dem Französischen wieder in die deutsche Sprache zurück. Fremdwörter-Pingpong sozusagen.
Contra: Manche Anglizismen sind gar keine echten englischen Wörter
Oder haben dort ganz andere Bedeutungen. Fremdwörter sind manchmal gar keine Fremdwörter. Sondern Fantasiebegriffe. Dann tragen sie natürlich rein gar nichts zu diesem eben skizzierten völkerverständigenden Gebrauch von Fremdwörtern bei. Im Gegenteil! Als die ersten Mobiltelefone aufkamen, nannte man sie „Handys“. Aber sowas wie ein Handy gibt es im englischen nicht. Also nicht als Telefon. Dann kam bei uns mit der Fußball-WM 2006 das Public Viewing in Mode. Im englischen bezeichnet das aber die Leichenschau…
Und Home Office, was wir aktuell immer mehr betreiben, meint ursprünglich das Heimatministerium. Und manche verwirren die neuen, hippen Aglizismen so sehr, dass an einem Kaffee tatsächlich zu lesen war: „Coffee to go – auch zum mitnehmen.“ Mach Sachen! Daher die Empfehlung für Dich: Solltest Du im Ausland zu tun haben, informiere Dich sicherheitshalber über solche Anglizismen, bevor Du sie wie selbstverständlich vor native Speakern nutzt und Dich damit lächerlich machst.
Ein Freund von mir war mal für einige Monate in den USA und immer wenn er sich irgendwo neu vorstellte, sagte er „Hi, I am Peter. I am a stud from germany“ im festen Glauben, „stud“ sei eine Kurzform für Student, und er hätte daher gesagt, er sei ein Student aus Deutschland. Tatsächlich bedeutet stud im englischen aber… Hengst. Er hat also drei Monate lang jedem, den er in New York neu kennenlernte, erzählt, er sei ein Hengst aus Deutschland. Daher lohnt es sich die scheinbaren Anglizismen und/oder Fremdwörter mal kurz zu checken.
Pro: Ein größerer Wortschatz bedeutet mehr Möglichkeiten sich auszudrücken
Mir gefällt zum Beispiel im englischen die Unterscheidung zwischen Heaven und Sky. Beides bedeutet Himmel. Aber ersteres ist der siebte Himmel, auf dem man sich mit seinem Partner befindet. Oder auch der, in den man eventuell nach dem Ableben kommt. Und das andere der, durch den Flugzeuge fliegen. Und es gibt Fremdwörter, für die haben wir gar keine passenden Entsprechungen. Also nicht, was so 100%ig passt.
Erklär doch mal ganz kurz und knapp, was subtil bedeutet. Wird schwierig. Und jobben ist etwas anderes als arbeiten. Solche Wörter bereichern also unsere Sprache wirklich und ersetzen nicht einfach alte, deutsche Wörter. Sicher hast Du auch schon mal vom finnischen Wort kalsarikännit gehört, was so viel bedeutet wie sich in Unterhosen daheim alleine betrinken. Die Finnen haben dafür sogar ein eigenes Emoji. Du siehst: Ein paar richtig sinnvolle Fremdwörter haben es noch nicht in unseren Alltag geschafft.
Contra: Erfolgreiche Kommunikation sollte so einfach wie möglich sein
Also auch ohne Fremdwörter auskommen, es sei denn sie sind unverzichtbar. Also wirklich unverzichtbar. Nur weil es gut klingt und Du einen intellektuellen Eindruck machen möchtest, solltest Du keine Fremdwörter verwenden. Das kann sogar nach hinten losgehen. Ich musste vor einiger Zeit mal ein Interview mit einem Schlagersänger in einer Talkshow mit ansehen. Und jetzt unterstellt man diesen Menschen ja gerne, dass sie vielleicht ein kleines bisschen ungebildet wären. Weil sie solche Texte singen wie sie es nun mal tun.
Und offenbar wollte dieser Barde an seinem Image arbeiten und baute so viele Fremdwörter ein, dazu noch so total abgehobene, dass sogar ich mit meinem durchaus umfangreichen Wortschatz die meisten davon googlen musste. Das ganze hat unfreiwillig komisch gewirkt. Und im besten Fall wirkst Du mit dieser Strategie arrogant.
Viele greifen zum Anglizismen-Bullshit-Bingo um zu verschleiern, dass sie eigentlich nichts zu sagen haben. Wobei ja witzigerweise sogar die Bezeichnung „Bullshit“ dafür auch wieder… ein Anglizismus ist. Egal wie Du es nennst, das solltest Du nicht mitmachen. Beziehungsweise sehr genau für Dich klären, wo das okay ist, vielleicht sogar als Fachsprech dazugehört um sich auch als „Insider“ zu beweisen. Und wo Du darauf wirklich verzichten solltest. Aber das deutet schon an: Es gibt zu diesem Punkt auch die genaue Kehrseite und zwar als
Pro: Fremdwörter können Deine Kompetenz untermauern
Zumindest dann, wenn sie Fachbegriffe sind. Von Deinem Psychiater wirst Du erwarten, dass er Dir sagt „Sie leiden unter Hippopotomonstrosesquippedaliophobie“ und nicht „Sie haben einen an der Klatsche.“ Während zu viele Fremdwörter also schnell abgehoben oder arrogant wirken können, kann es je nach Beruf und Umfeld auch unumgänglich sein sich in Fachbegriffen auszudrücken um überhaupt als sachverständig angesehen zu werden.
Fazit
Ob Fremdwörter unsere Sprache sinnvoll ergänzen oder ob sie sie verschandeln und verwässern, hängt ganz davon ab, wie wir sie einsetzen. That´s it!
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