Im Artikel zu Storytelling ging es um die Frage, wie Du auf eine gute Geschichte kommen kannst. In diesem Artikel geht es darum, wie Du diese Geschichte erzählen solltest, damit sie den Menschen im Kopf bleibt. Das nennt man gerne auch „Kopfkino“. Dazu gehört:
- sinnlich konkrete Erzählung
- die richtige Erzählzeit
- direkte Rede und Zitate
Du hast das vielleicht schon erlebt, wenn zum Beispiel Menschen von ihrem Urlaub erzählen. Oder vom Wochenende auf der Messe in Shanghai. Manchmal hörst Du fasziniert zu und willst wirklich alles erfahren. Und manchmal schaltest Du schon nach wenigen Minuten einfach nur ab. Weil es öde ist. Also nicht das Erlebnis an sich. Sondern die Art, wie es Dir erzählt wird. Das hat dann nichts mir der Geschichte an sich zu tun. Sondern mit der Art WIE sie erzählt wird. Was macht nun eine gute, lebendige Erzählung aus?
Erzähle sinnlich konkret
Meine beiden Söhne sind zwei gänzlich verschiedene Typen, was das erzählen angeht. Wenn ich sie frage, wie es in der Schule war, antwortet der eine „gut“. Der andere beginnt wie ein Wasserfall zu erzählen, mit vielen Details, wie z.B. dass der Sand nass war, oder etwas glitschig, etc.
Er zieht einen in die Erzählung mit rein, lässt mich ganz konkrete Dinge nachempfinden. Eben das so genannte Kopfkino. Wir Menschen haben fünf Sinne und diese sollten auch wo immer sinnvoll angesprochen werden. Erzähle, was es zu sehen gab. Nicht, die Landschaft war schön. Sondern:
Es war alles so grün und so viele Blüten, hach, diese Farbenpracht! Und überall summte es von den Bienen, die hin und her flogen. Und dieser Duft! So viele Düfte auf dieser Wiese, während uns der Wind sanft durchs Haar hauchte…
DAS ist Storytelling.
Menschen haben übrigens jeweils einen bevorzugten Sinneskanal. D.h. die einen sind sehr visuell veranlagt. Da müssen innere Bilder entstehen. Die anderen eher auditiv. Was gab es an Geräuschen? Und wieder andere sind so genannte „Gefühlsmenschen“, die Dinge auch einfach ausprobieren müssen, um sie – wortwörtlich – zu „begreifen“. „Gefühle“ meint in dem Zusammenhang nicht zwingend Emotionen, sondern eben wie sich etwas anfühlt. Die Sonne auf der Haut. Das Meerwasser in den Augen. Und so weiter…
Gerüche und Geschmack spielen dagegen zumindest hier bei uns in Westeuropa eher eine untergeordnete Rolle. Die kommen natürlich hinzu, wenn es um Essen oder ähnliches geht. Aber es gibt eigentlich keine „Geruchsmenschen“, die die Welt hauptsächlich erriechen. Wobei in realen Kinos auch mit Gerüchen experimentiert wird, die im Film an passenden Stellen gesprüht werden. Was spricht dagegen, das auch im Kopfkino zu testen?
Ich selber bin zum Beispiel überhaupt kein visueller Mensch. Ich hab es mir mühsam antrainiert ein bisschen auf die Optik zu achten, weil ich früher wirklich herumgelaufen bin wie der letzte Penner. Aber so ein Soßenfleck auf dem Hemd, das ist mir halt einfach nicht aufgefallen. Wirklich nicht! Aber ein kleines Zittern in der Stimme oder auch der Hand bei der Begrüßung, das merke ich sofort.
Bediene alle Sinneskanäle
Das bedeutet jetzt fürs Geschichtenerzählen: Bediene möglichst alle Sinneskanäle, weil Du nicht weißt, welcher davon die Zuhörenden am meisten abholt. Also zumindest die drei Hauptsinne, nenn ich es jetzt mal, also sehen, hören, fühlen. Idealerweise in der umgekehrten Reihenfolge, also Fühlen, Hören, Sehen. Weil die Informationsverarbeitung einer Theorie nach auch jeweils etwas unterschiedlich schnell ist. Aber so tief will ich jetzt an der Stelle gar nicht einsteigen. Für Dich wichtig: Erzähle Deine Geschichte sinnlich konkret und bediene dabei möglichst alle Sinneskanäle.
Wie Dir vielleicht bei den beiden Beispielerzählungen meiner Söhne von ihrem Schultag schon aufgefallen ist, sind die beiden Erzählungen unterschiedlich lang. Und das ist auch der nächste wichtige Punkt für Deine gelungene Geschichte.
Achte auf die Erzählzeit
Du kennst das sicher aus Filmen, dass die Geschwindigkeit der Erzählung deutlich anders sein kann als die erlebte Zeit. Ein Zeitsprung zum nächsten Tag oder sogar über mehrere Jahre ist möglich. Ebenso werden manche Szenen gerne in Zeitlupe dargestellt. Und andere, gerade Dialoge zum Beispiel 1:1 so wie man sie auch erlebt. Beim Erzählen kann das noch viel krasser auseinander gehen.
Zum Beispiel wenn man erzählen möchte, wie sich ein junger Mann traut eine andere Person, an der er romantisch interessiert ist, anzusprechen.
Er blickt verschämt rüber und versucht herauszufinden, ob sie auch zu ihm schaut. Und dann atmet er nochmal tief ein, richtet sich auf und geht auf die Person seines Interesses zu. Er blickt ihr direkt in die Augen, lächelt sie an und langsam öffnet sich sein Mund, zeigt eine Reihe noch halbwegs weißer und mehr oder minder gerader Zähne, sowie einen kleinen Rest Petersilie zwischen dem linken oberen Schneidezahn und dem Zahn links daneben, holt nochmal Luft und sagt dann mit nur ganz leicht zitternder Stimme: „Hallo.“
Was real oder in einem Film nur wenige Sekunden gedauert hätte, wird hier in über einer Minute ausführlich beschrieben. Weil es vielleicht, falls ich Dir gerade eine Liebesgeschichte erzählen möchte, auch einer der wichtigsten Momente ist. Wie die beiden sich überhaupt kennengelernt haben. Wenn es mir weniger wichtig ist, wie diese Liebesgeschichte ausgeht, kann ich sie einfach beenden mit: „Dann trieben sie es die ganze Nacht!“ Das wäre jetzt sehr, sehr schnelle Erzählzeit. Eine ganze Nacht zusammengefasst in sieben Wörtern. Märchen machen das ja auch gerne so: „Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebtag Ende“. Zack, fertig.
Wechsle das Tempo
Eine gute Geschichte lebt von Tempowechseln. Wichtige Dinge dürfen gerne ausführlich und somit in langsamer Erzählzeit wiedergegeben werden. Manche Dinge, die nicht so wichtig sind, darfst Du gerne raffen. Auch wenn das Kopfkino Deiner Zuhörenden auf vollen Touren läuft, ist Aufmerksamkeit eine knappe Ressource, die Du nicht überstrapazieren solltest. Das machen viele nämlich, zum Leidwesen ihrer Zuhörenden, falsch. Viele erzählen zu knapp und gehen nicht genügend ins Detail um Emotionalität und Atmosphäre entstehen zu lassen. Und andere gehen immer bis ins letzte Detail. „Also da hätte mich beinahe ein Auto angefahren. Ich glaube es war ein BMW. Oder war´s ein Mercedes? Also auf jeden Fall so ein älteres Modell, noch so eines aus den 90er Jahren, so richtig kantig. Und es war blau und der eine Scheinwerfer war schon ein bisschen schwach in der Leuchtkraft, bin mir gar nicht sicher, ob das Auto noch TÜV hatte. Vielleicht war´s aber auch ein Audi…“
JA UND? Von mir aus war´s das original Batmobil, das ändert doch nichts daran, dass Du beinahe überfahren worden wärst und DAS vielleicht der eigentlich interessante Inhalt Deiner Geschichte ist.
Also: Entscheide durch die Länge der Erzählzeit worauf Du den Fokus legst und wie die Aufmerksamkeit der Zuhörenden gelenkt wird. Ob Du in Zeitlupe etwas hervorhebst. Oder im Zeitraffer über manches hinweggehst. Die 1:1 Zeit wirkt besonders „real“, eben weil alles so abläuft als würde man es gerade live erleben. Das ist besonders wichtig bei Dialogen. Und die sind selbst sehr wichtig.
Verwende direkte Rede
Ein Beispiel: Überlege Dir mal bei einer berühmten Rede der Geschichte, zum Beispiel John F. Kennedys Rede in Berlin, wenn ich Dir einfach erzählen würde, dass er die Berliner motivieren wollte, über Freiheit sprach und abschließend sagte, er sei einer von ihnen, so verbunden fühle er sich der Stadt.
Hat das eine Wirkung auf Dich? Kann ich Dich damit für diese berühmte Rede begeistern? Oder käme es nicht viel besser bei Dir an, wen ich wörtlich wiedergebe, was er sagte, wie im Folgenden:
Die Freiheit ist unteilbar, und wenn auch nur einer versklavt ist, dann sind nicht alle frei. Aber wenn der Tag gekommen sein wird, an dem alle die Freiheit haben und Ihre Stadt und Ihr Land wieder vereint sind, wenn Europa geeint ist und Bestandteil eines friedvollen und zu höchsten Hoffnungen berechtigten Erdteiles, dann, wenn dieser Tag gekommen sein wird, können Sie mit Befriedigung von sich sagen, daß die Berliner und diese Stadt Berlin 20 Jahre die Front gehalten haben. Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner.
John F. Kennedy
Wenn ich Dir vorher noch erzähle, wie er da stand, in die jubelnde Menge lächelte, dann startet Dein Kopfkino allmählich. Setze direkte Rede gerne in Deiner Geschichte ein. Aber auch hier kannst Du gewichten. Und zum Beispiel das, was die eine Person gesagt hat, nur sinngemäß wiedergeben. Und die Erwiderung darauf wortwörtlich bringen. Also zum Beispiel: „Du wirst es nicht glauben. Da hat dieser Möchtegernmacho die Carola angebaggert. So richtig unterste Schublade. Und Du glaubst nicht, was die dann zu ihm gesagt hat: [Direkte Rede]…“ So betonst Du, was sie erwidert hat und übergehst den blöden Spruch, den sie vorher anhören musste, so ganz nebenbei.
Fazit
Es ist gar nicht so schwer, das Kopfkino der Zuhörenden anzuwerfen, wenn Du diese drei Punkte beachtest. Auch wenn es manchmal gar nicht so einfach ist, sich die Zeit zu nehmen und auch sich vorher entsprechend Gedanken darüber zu machen, WIE Du Deine Geschichte genau erzählen willst.
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