si tacuisses, philosophus mansisses
Boethius zugeschrieben
Auf gut deutsch: Hättest Du geschwiegen, hätte niemand gemerkt, dass Du eigentlich nichts vernünftiges zu sagen hast. Ja, es gibt sie. Die Situationen, in denen es rhetorisch geschickter ist, nichts zu sagen. Oder zumindest nicht zu sprechen. Denn ganz bewusst nicht zu reden, kann eine starke rhetorische Wirkung haben. Im Folgenden 7 gute Gründe, warum Du öfter auch mal schweigen solltest.
1. Weil Du damit andere Menschen zum Reden bringst
Manche Menschen brauchen die Zeit, um anzufangen zu reden. Es kostet sie im ersten Moment Überwindung. Andere wiederum würden sich gerne um eine Aussage drücken und sind froh, wenn das Gespräch weitergeht und eine andere Richtung nimmt. In beiden Fällen hilft Schweigen. Denn dieses Schweigen gibt erst den Raum für das Reden der Anderen.
Manchmal kann das auch etwas länger dauern. So ging es mir mal in einem Coaching. Mein Klient war an einem wichtigen Punkt angekommen. Aber wollte sich das offenbar nicht eingestehen. Auf meine Nachfrage blieb er stumm. Also blieb auch ich stumm. Unfassbar, wie lang sich zwei oder drei Minuten anfühlen können. Es war fast wie in einem Westernduell, nur dass hier jeder versuchte, nicht als erstes zu „ziehen“. Letztlich sprach er dann doch, und wir waren einen wichtigen Schritt weiter.
2. Weil Schweigen Deine nonverbale Kommunikation noch besser zur Geltung bringt
Hast Du Dir schon mal einen Stummfilm angesehen? Es ist total spannend, wie viel man dabei auf die Mimik, die Bewegung der Figuren zueinander, etc. achtet. Oder wie sehr auch Clowns und Pantomimen im Zirkus ihre Wirkung daraus ziehen, dass sie gerade auf das Sprechen verzichten. Genau so kannst Du Deine nonverbale Wirkung erhöhen, wenn Du Mimik & Gestik allein sprechen lässt.
Ich saß mal auf der Heimfahrt von einem Rhetoriktraining im Ruheabteil im ICE. Plötzlich kam von hinten ein Mann rein, der laut telefonierte und zwei Reihen diagonal hinter mir stehen blieb. Ich dreht mich langsam zu ihm um, verschränkte die Arme, überkreuzte die Beine, zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn direkt an. Es dauerte nicht mal 10 Sekunden, dass er mich bemerkte, meine Körpersprache deutete und beschloss weiterzugehen. Eine solche Wirkung hätte ich mit Worten in dieser Situation vermutlich niemals erzielt.
3. Weil Stille auch sehr wohltuend sein kann
Schrieb ich gerade vom Ruheabteil? Ja. Weil Menschen nicht immer Trubel um sich haben möchten, gibt es sogar ein Ruheabteil im ICE. Und Kopfhörer mit Noice Cancelling Funktion sind total angesagt. Sich abschotten. Einfach mal nichts hören. Stille bewusst erleben dürfen. Sei also auch Du kein Störfaktor für Deine Mitmenschen. Und sich auch mal Anzuschweigen kann auch darüber hinaus positiv sein.
4. Weil Schweigen auch Vertrautheit ausdrücken kann
Bist Du schon mal mit jemandem länger auf engstem Raum gewesen, den oder die Du zwar kanntest, aber eben nicht sehr gut? Vielleicht bei einer gemeinsamen Bahnfahrt. Oder im Wartezimmer beim Arzt. Oder Ihr ward zu zweit schon etwas früher im Meetingraum aus der Rest… Und vermutlich war da das Gefühl, irgendwie miteinander reden zu müssen. Small Talk. Oder über irgend etwas. Nur dass kein peinliches Schweigen entsteht.
Wenn Du dagegen mit jemandem zusammen bist, den oder die Du sehr gut kennst, dann könnt Ihr über alles reden. Müsst aber nicht. Ihr könnt auch mal für längere Zeit schweigend in einem Raum sein. Ohne dass es unangenehm wird. Genau dieses Schweigen ist Ausdruck absoluter Vertrautheit.
5. Weil Schweigen auch souverän sein kann
Hier in meiner Heimat Franken gibt es den schönen Satz Blous dassd fei was redst. Was ziemlich genau auf hochdeutsch „bloß damit Du was gesagt hast“ heißt. Wer viel redet und dabei oft auch nur so dahin redet ohne sonderlich viel Inhalt, wird weniger ernst genommen als ein schweigsamer Mensch, dessen Beiträge dann aber immer Gewicht haben und wohlüberlegt erscheinen. Die Grenzen der eigenen Kompetenz zu kennen und nur mitzureden, wenn man etwas sinnvolles beitragen kann, verschafft einem Respekt.
6. Schweigen ist Voraussetzung für echtes Zuhören
Wenn Dein Gegenüber zu Wort gekommen ist (siehe Punkt 1), solltest Du ihm auch so schnell nicht wieder in selbiges fallen. Ein Gespräch besteht nicht zwingend daraus, dass zwei Menschen gleich viel reden. Oft ist das erstrebenswert. Aber eben nicht immer. Manchmal muss sich auch eine der beteiligten Personen „auskotzen“ und braucht einfach nur jemanden, der zuhört. Das gelingt tatsächlich am besten, wenn man dabei schweigt und lediglich nonverbal Aufmerksamkeit signalisiert.
7. Weil Verschwiegenheit eine Tugend ist
So viel geben wir heute von uns preis. Und auch von anderen. „Too much information“ und Datenmüll ohne Ende sind kein rein digitales Phänomen. Wer Dinge auch mal für sich behalten kann, sowohl zu persönliches als auch das, was einem andere anvertraut haben, zeigt sich damit von seiner besten Seite. Und bleibt interessanter als ein Mensch, der alles sofort erzählen muss. Wie heißt es so schön?
Rede nur, wenn du gefragt wirst, aber lebe so, dass man dich fragt.
Paul Claudel
Und auch dann musst Du noch lange nicht alles erzählen. Bleib geheimnisvoll. Und bewahre die Geheimnisse anderer. Dann vertrauen Dir Menschen auch viel eher etwas an.
Fazit
Echtes Schweigen, das also länger ist als eine Kunstpause, wie Du sie als rhetorisches Stilmittel nutzen kannst (für die interessantesten rhetorischen Stilmittel lies gerne diesen Artikel), ist selbst eine rhetorische Taktik, und zwar nach dem Prinzip weniger ist mehr. Nutze sie, um Deine Kommunikation umso aussagekräftiger zu machen!
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