Welche rhetorischen Stilmittel kennst Du noch aus der Schule? Und wie viele davon verwendest Du bewusst? Viele vollkommen verrückte, verführerische Vortragende verwenden die Alliteration. Das war übrigens eine. Also wenn in einer Wortkette jedes Wort mit dem selben Buchstaben beginnt. Von der rhetorischen Frage hast Du sicher auch schon mal gehört? Das war übrigens eine. Wenn man eine Frage stellt, die entweder keiner Antwort bedarf oder die man gleich selbst beantwortet. Die Ironie dagegen ist natürlich ein völlig unbekanntes Stilmittel… Das war übrigens… Ironie…

Diese drei rhetorischen Stilmittel kanntest Du vermutlich schon. Viele andere vermutlich nicht. Du kannst aber davon ausgehen, dass Du bestimmte Stilmittel regelmäßig verwendest, ohne deren Namen zu kennen oder vielleicht nicht mal zu wissen, dass das jetzt ein rhetorisches Stilmittel ist. Vielleicht wusstest Du es mal, weil Du im Deutschunterricht in der Schule damit gequält wurdest. Ein bisschen was ist hängen geblieben, aber vieles hast Du bestimmt auch erfolgreich verdrängt. Dabei sind die rhetorischen Stilmittel eines von den ganz wenigen im Alltag brauchbaren Dingen, die Schüler:innen im Deutschunterricht der höheren Klassen lernen.

Manchmal suchst Du vielleicht nach Möglichkeiten Deinen Vortrag oder auch ein Gespräch an bestimmten Stellen noch etwas aufzupeppen. Oder Deinen Redestil allgemein noch zu verbessern. Rhetorische Stilmittel sind die Gewürze unserer Sprache. Sie verleihen das gewisse etwas. Man darf es damit aber auch nicht übertreiben. Und nicht jedes Gewürz passt zu jeder Speise. Im Folgenden eine kleine Auswahl, von Stilmitteln, die ich für hilfreich halte.

  • Correctio
  • Neologismus
  • Euphemismus
  • Anapher/Epipher
  • Metapher/Vergleich

Correctio

Heißt so, weil Du Dich dabei selbst korrigierst. Also scheinbar. Tatsächlich ist es eher so eine Art Klimax, also eine Steigerung. Du setzt nochmal eins drauf. Wenn Du zum Beispiel sagst: „Das ist eine gute, ach, was sag ich, eine absolut geniale Idee“. Oder sowas wie „Du bist eine wirklich sehr nette, nein, die mit Abstand netteste Kollegin!“ Das wirkt besser als wenn Du nur sagen würdest „Du bist die netteste Kollegin.“ Die Correctio funktioniert, wie Du an meinen Beispielen schon erahnen kannst, besonders gut bei Komplimenten und überhaupt positiven Zuschreibungen.

Denkbar ist aber natürlich auch sie für eine besonders kreative Beleidigung einzusetzen. „Herr Müller, Sie sind wirklich ein…, nein, Sie sind der König aller Idioten!“ Ich würde mich dennoch sehr freuen, wenn Du es eher bei Komplimenten einsetzt. Die Correctio hat den schönen Effekt, dass Du eben noch was besseres draufsetzt und damit die eben erreichte positive Wirkung, zum Beispiel eines Kompliments, noch weiter verstärken kannst. Zudem wirkt die Correctio sehr authentisch. Du suchst wirklich nach dem optimalen Begriff und korrigierst Dich selbst.

Neologismus

Oder auf Deutsch: „Wortneuschöpfung“. Neologismen sind aktuell sehr verbreitet. „Wutbürger“, „Cybermobbing“ oder ganz aktuell „Impfluencer“. Das sind Promis, die dafür werben sich gegen Covid19 impfen zu lassen und sich eventuell sogar öffentlich impfen lassen oder ein Bild der Impfung danach in den sozialen Medien teilen. Neologismen kann man gut oder schlecht finden, eines ist sicher: Sie bleiben im Gedächtnis. Weil wir ja doch – fast – alle gerne trendy sind. Neu-gierig im wahrsten Sinne dieses Wortes, also gierig auf Neues. Und sei es nur um sich darüber aufzuregen. Die Tageszeitung mit den vier Buchstaben macht das bis zum Erbrechen. Was aber weniger an den Neologismen liegt als am dort insgesamt üblichen Niveau. Aber auch seriöse Medien, Parteien und so weiter, alle greifen gerne auf Neologismen zurück. Beziehungswiese „zurückgreifen“ ist das falsche Wort. Denn es ist ja noch nichts da, das man greifen kann.

Man baut sich selbst ja erst ein passendes Wort. Das ist im besten Falle originell und hat einen gewissen Wortwitz. Simples Beispiel: Ich hab mich mal in meinem Bühnenprogramm aufgeregt über „Bessermenschen“, die mir als links-grün versifftem Gutmenschen das Gefühl geben nicht gut genug zu sein. „Bessermensch“ also einfach als Steigerung von Gutmensch. Und zack, schon ist ein neues Wort entstanden. Eine andere Möglichkeit wie bei „Impfluenzer“ ist die Verschmelzung zweier Begriffe miteinander. Ein sehr schönes Beispiel aktuell, also eigentlich ein trauriges Beispiel […] Upps, das war jetzt eine correctio. Ich habe von schön auf traurig gewechselt durch die correctio, und da haben wir eine weitere Einsatzmöglichkeit für dieses Stilmittel direkt spontan erlebt: Wenn etwas schön und traurig zugleich ist. Zum Beispiel.

Aber zurück zu den Neologismen. Ein aktuelles, schönes wie trauriges Beispiel ist „Mütend“. Als Mischung aus „müde“ und „wütend“, was für viele Menschen die aktuelle Gefühlslage inmitten der Pandemie beschreibt. Und dieses Wort geht gerade viral. Weil es einfach inhaltlich etwas auf den Punkt bringt UND dabei originell ist. „Wie fühlst Du Dich?“ „Mütend!“ Das erzeugt gleich einen Aha-Effekt.

Euphemismus

Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich Dir dieses rhetorische Stilmittel wirklich ans Herz legen will. Denn in der öffentlichen Kommunikation wird immer mehr schöngeredet und das nervt mich inzwischen total. Aber es wird wohl gemacht, weil Euphemismen sehr erfolgreich sind. Weil es offenbar funktioniert. Man sagt jetzt nicht mehr „Meier, Sie sind gefeuert!“ Sondern „Lieber Herr Meier, wir möchten Ihnen die Chance zur beruflichen Weiterentwicklung geben und setzen deshalb ihre Produktivkraft frei“. Hilft dem Meier auch nicht weiter, klingt aber einfach in der Presse besser, wenn zum Beispiel 5000 Leute „freigestellt“ werden als sie zu entlassen.

Wenn in Agentenfilmen immer davon gesprochen wird, jemanden zu „liquidieren“ oder „unschädlich zu machen“ ist das in etwa so wie wenn Jäger:innen Wildtiere dem „Bestand entnehmen“. Du solltest aber bedenken, dass Euphemismen ihre Grenzen haben. Und ab einem gewissen Punkt wirken sie lächerlich. Z.B. wenn Parteien nach Wahlen erklären, dass die gerade mal 14% verlorenen Wählerstimmen ja eigentlich trotzdem ein toller Erfolg wären, weil man nach den letzten Umfragen noch viel mehr hätte verlieren sollen, wirkt das nicht sehr überzeugend.

Anapher und Epipher

Hier fasse ich zwei rhetorische Stilmittel unter einem Punkt zusammen, weil der einzige Unterschied darin liegt, dass die Anapher gleiche Worte am Satzanfang bezeichnet. Und die Epipher gleiche Worte am Satzende.

Das folgende Beispiel für eine Anapher stammt aus der berühmten „Blut, Schweiß und Tränen – Rede“ Winston Churchills. Dort heißt es:

„Sie fragen, was unser Ziel ist: ich kann in einem Worte erwidern: es ist der Sieg – Sieg um jeden Preis – Sieg trotz aller Schrecken, Sieg, wie lang und hart auch immer der Weg sein mag, denn ohne Sieg gibt es kein Überleben.“

„ Sieg um jeden Preis – Sieg trotz aller Schrecken, Sieg, wie lang und hart auch immer der Weg sein mag“, das ist eine Anapher. Die enorme Wirkung, die dieses Stilmittel entfaltet, wurde gleich deutlich dank des nahezu perfekten Beispiels, das uns hier einer der größten Redner des 20. Jahrhunderts liefert. Und für die Epipher finden wir schon in der Bibel ein perfektes Beispiel. Es ist die vermutlich literarisch beste Stelle der Bibel, egal wie man es hält mit dem Glauben, das muss man anerkennen. Es geht um Paulus´ Brief an die Korinther. Dieser Brief, der endet mit „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Auch das ist natürlich ein rhetorisches Stilmittel, nämlich eine Klimax, oder auch eine Accumulatio, je nachdem, aber für die Epipher betrachten wir eine andereStelle. Nämlich heißt es da davor schon über die Liebe:

„sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles“.

Das ist eine perfekte Epipher. Und auch hier wird, dank des Zitats, gleich klar, wie stark die Wirkung sein kann, wenn Du die Epipher in Deine Rede einbaust.

Metapher und Vergleich

Noch einmal betrachten wir zwei rhetorische Stilmittel gleichzeitig, weil auch diese sehr nah beieinander liegen. Nur dass beim Vergleich auch wirklich ein „wie“ steht, also „das ist wie…“ und bei der Metapher legst Du einfach mit dem Bild los und sprichst z.B. über das Boot, das am Kentern ist, wenn der Kapitän von Bord geht. Ohne erst zu erklären, dass die Firma, in der der Seniorchef in Vorruhestand geht, WIE ein Boot sei.

Mit Metaphern und Vergleichen schaffst Du im Idealfall eine Verbindung Deiner Zuhörenden, egal ob ein ganzer Saal voll oder eine einzelne Person, zu der Message, die Du gerade rüberbringen willst. Weil Du damit ein Thema, eine Beziehung, einen Sachverhalt veranschaulichst. Dass ein Boot auf stürmischer See einen erfahrenen Kapitän braucht, ist für jeden nachvollziehbar. Warum jetzt eine Firma keinen jungen, dynamischen Juniorchef haben sollte, dafür bräuchte es jede Menge Argumente, Zahlen, Daten, Fakten. Die solltest Du natürlich auch immer mitliefern. Aber das, was die Leute emotional packt, ist die Metapher. Oder ein anschaulicher Vergleich. Am besten aus der Lebenswelt der Menschen, zu denen Du sprichst.

Deshalb werden auch so gerne Fußballvergleiche bemüht. Weil fast alle das Spiel kennen und wissen, nach welchen Regeln es gespielt wird. Und dass Beckenbauer, Müller und Co berühmte Spieler waren oder sind. Je nachdem, von welchem Müller wir jetzt sprechen. Ich habe im amerikanischen Raum auch schon Vergleiche mit Baseball gehört. Und rein gar nichts verstanden. Baseball kenne ich nur aus Filmen. Ich habe bis heute keine Ahnung, worum es da eigentlich geht. Also irgendwie muss man diesen Ball mit dem Schläger weghauen. Und dass dann Leute querfeldein rennen. Dann hört es aber auch auf. Hilft also nichts mit einem Baseballvergleich hier in Deutschland anzukommen. Versteht keiner.

Natürlich kommt es dabei immer darauf an, wie detailliert so ein Vergleich / eine Metapher ist. Was damit gemeint ist, wenn zu viele Häuptlinge da sind und zu wenig Indianer, das verstehen wir auch ohne genaue Kenntnisse der Sitten und Gepflogenheiten amerikanischer Ureinwohner.

ABER: Wie bei fast allem gibt es natürlich auch hier einen falschestmöglichen Einsatz dieses rhetorischen Stilmittels. Zum Beispiel die Fußpflegerin, die allen Ernstes zur „Schnupperstunde“ eingeladen hat. Als Fußpflegerin. Ja, ich weiß, was sie meint. Aber Schnuppern und Füße, das erzeugt Bilder bei mir im Kopf, die mich nicht gerade motivieren einen Termin auszumachen.

Zur Metapher gibt es inzwischen übrigens einen eigenen Beitrag.

Fazit

Rhetorische Stilmittel bieten – bei wohl dosiertem und gekonnten Einsatz – eine breite Palette an „Gewürzen“ für Deine Rede oder Deinen Gesprächsbeitrag. Manche Stilmittel solltest Du heutzutage lieber nicht mehr nutzen. Dazu gibt es aber einen eigenen Artikel.

Hi. Mein Name ist Oliver Walter. Ich bin Rhetoriktrainer & Coach. Hier blogge ich über mein Lieblingsthema: Rhetorik & Kommunikation. Wenn ich Dir mit meiner Fachmeinung oder meinem Knowhow weiterhelfen kann, lass es mich gerne wissen. 

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