„Wir haben nicht genug Schilder“ war einst das Argument von Volker Wissing gegen ein Tempolimit. Nun behauptet der FDP-Verkehrsminister, „die Leute wollen das nicht“, obwohl die Umfragen meist etwas anderes sagen. Aber Herr Wissing bedient sich dabei eines Tricks. Er bezieht sich nicht allgemein auf das Tempolimit, sondern auf einen ganz speziellen Vorschlag. So sagte er:
Wenn flächendeckend auf Autobahnen ein Tempolimit von 120, auf Landstraßen von 80 und innerorts von 30 Kilometern pro Stunde gilt, hat das in Deutschland keine Akzeptanz. Das wollen die Leute nicht.
Volker Wissing
Es geht ihm also nicht um eine Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn allein, sondern er geht davon aus, dass „die Leute“ keine 80 km/h auf der Landstraße wollen und kein generelles Tempo 30 innerstädtisch. Eine konkrete Studie/Umfrage dazu wurde nicht benannt.
Der Trick der Verknüpfung von Aussagen
Und ging es denn bei der Diskussion jemals um generell Tempo 30 in der Stadt? Nicht wirklich. Und genau darin liegt der rhetorische „Trick“ dessen sich Volker Wissing hier bedient. Er verknüpft mehrere Forderungen zum Tempolimit (bzw. zu verschiedenen Tempolimits) so miteinander, dass deutlich weniger Menschen der Gesamtaussage zustimmen würden. Das ist übrigens mein persönliches Problem mit mehrgängigen Menüs: Mit jedem zusätzlichen Gang steigt die Wahrscheinlichkeit, dass etwas dabei ist, das ich nicht mag. Pilze zum Beispiel. Oder Mehresfrüchte. Nein danke!
Ebenso steigt der Grad der Ablehnung, je mehr Aussagen Du zu einem „Forderungskatalog“ verknüpfst. Das lässt sich eben rhetorisch nutzen. Denn in der klassischen Aussagenlogik ist eine Verknüpfung mehrerer Aussagen mit „und“ nur dann wahr, wenn alle verknüpften Aussagen wahr sind. Sobald einer nicht zugestimmt wird, lehnt man also die gesamte Aussage ab.
Anders herum kannst Du auch eine unpopuläre Maßnahme in einem umfangreichen Paket verstecken. „Kommt Kinder, wir fahren in die Stadt. Da essen wir ein Eis und ihr dürft auf dem Elefanten reiten, der so lustige Musik spielt, dann gehen wir schnell zum Impfen und danach noch auf den Spielplatz.“
Schwache Argumente schwächen Dich
Was ist nun das rhetorische Problem Wissings? Dass seine schwachen Argumente ihn selbst schwach erscheinen lassen. Bisher brachte er drei Argumente gegen die Einführung eines flächendeckenden Tempolimits.
- „Wir haben nicht genug Schilder“. Ist gerade im deutschen Straßenverkehr sehr kontraintuitiv. Man hat schnell den Eindruck, wenn wir in Deutschland von einer Sache genug haben, dann sind es Schilder. Soll heißen: Es kann rein verwaltungstechnisch tatsächlich sein, dass das ein valides Argument ist. Aber es ist dennoch nicht einleuchtend. Und damit ein schwaches Argument, völlig unabhängig von den Fakten.
- Das eben dargelegte „die Leute wollen das nicht“.
- „Freiheit“! Ein grundsätzlich sinnvolles Argument, denn natürlich ist jedes Verbot, jede Regulierung, jedes Limit ein Eingriff in die persönliche Freiheit von irgendjemand. Dafür muss es einen guten Grund geben. Dadurch, dass es aber auf so vielen Autobahnabschnitten bereits Tempolimits gibt, scheint es genügend gute Gründe zu geben, diese persönliche Freiheit der Autofahrenden immer wieder einzuschränken. Es ist also kein krasser Tabubruch wie damals das generelle Rauchverbot in Innenräumen, das erstmals sogar für Krankenhäuser und Kindergärten regelte, dass dort ganz offiziell nicht geraucht werden darf. Zudem sind die Argumente für ein Tempolimit durchaus überzeugend. CO2-Einsparung und weniger Verkehrstote sind vermutlich die beiden ausschlaggebenden.
Volker Wissing hat also ausschließlich schwache Argumente. Und das lässt ihn selbst und seine Position schwach wirken. Wer solche Argumente hat, sollte besser ganz auf das Argumentieren verzichten. Sinnvoller wäre es, die prognostizierten Auswirkungen bei der CO2-Einsparung und der Reduzierung der Verkehrstoten in Zweifel zu ziehen, also die Argumente der Gegenseite zu entkräften zu versuchen. Das ist allerdings mit Risiken verbunden. Denn eine Aussage wie „ein Tempolimit würde ja nur relativ wenigen Menschen das Leben retten“ lässt einen nicht gerade sympathisch und mitfühlend wirken.
Emotionalisierung als einzige Option
Dabei könnte Mitfühlen der erfolgversprechendste Ansatz sein, nämlich das Argument „Freiheit“ stärker zu emotionalisieren. Denn Emotionen schlagen die Ratio fast immer. Und tatsächlich scheint dieses Gefühl von Freiheit das einzige Argument zu sein, das verfängt. Wenn „die da oben“ uns schon wieder etwas verbieten wollen und uns den Spaß nicht gönnen, dann werde ich wütend. Die Emotionalisierung ist oft der letzte Strohhalm, wenn man keine guten, sachlichen Argumente hat. Und die gibt es gegen ein generelles Tempolimit tatsächlich nicht.
Fazit
Schwache Argumente sind nicht nur nicht hilfreich. Sie können Dich und Deine Position schwach wirken lassen. Sogar schwächer als wenn Du gar keine Argumente vorbringen würdest. Versuche in solchen Fällen, in denen Du keine wirklich starken Argumente hast, zunächst die Argumente der Gegenseite zu widerlegen. Und wenn das nicht fruchtet, bleibt Dir immer noch die Emotion und der Appell an die niederen Instinkte.
Am sinnvollsten, wenn auch unpopulärsten aber wäre es, sich von guten Argumenten überzeugen zu lassen und einfach das zu tun, was sachlich richtig ist. Eben ein Tempolimit einzuführen.
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